A L L E S . F L I E S S T - K A L E N D E R . 2001

TEXTE (deutsch)



 

JANUAR

Es soll sich regen,

schaffend handeln,

erst sich gestalten,

dann verwandeln:

nur scheinbar steht's Momente still.

Das Ewige regt sich fort in allem:

denn alles muß in Nichts zerfallen,

wenn es im Sein beharren will.

Johann Wolfgang von Goethe

 

FEBRUAR

Das Tao, das man nennen kann, ist nicht das ewige Tao.

Der Name, den man nennen kann, ist nicht der ewige Name.

Laotse, aus dem 1. Spruch des Tao Te King

 

MÄRZ

Den Lauf des Flusses

mögt Ihr ändern

Hindern

Werdet Ihr ihn nicht

Henning Sabo

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APRIL

So mußt du diese fließend vergänglichen Welt sehen.

Wie einen Stern in der Morgendämmerung,

eine Luftblase auf dem Fluß, einen Blitz im Sommerhimmel,

eine flackernde Lampe, ein Irrlicht, ein Traum.

Prajnaparamitrasutra

 

MAI

Gerade jetzt fließt ein Augenblick vorbei.

Seine Wirklichkeit in Farbe festzuhalten.

Alles andere müssen wir dazu aus unserem Geist entfernen.

Wir müssen dieser Augenblick werden, müssen uns zu einer

empfindlichen, leeren Aufnahmefläche machen.

Paul Cezanne

 

JUNI

Der Strahl des Springbrunnens

Neigt sich zum Westen Im Frühlingswind

Aus Japan

 

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JULI

Denkend an Holland

Seh' ich breite Flüsse

Träge durch unendliches

Flachland ziehn

Reihen undenkbar

Schütterer Pappeln

Wie hohe Daunen

Beieinander stehn

Und im gewaltigen

Raume versunken

Liegen die Höfe

verstreut im Land

Baumgruppen, Dörfer,

gekappte Türme

Kirchen und Ulmen

In stolzem Verband

Die Luft hänget tief

und die Sonne wird langsam

in grauen bunten Dämpfen verschmort

und in allen Staaten

wird die Stimme des Wassers

mit ihrem ewigen Unglück

gefürchtet, gehört

Hendrik Marsman

 

AUGUST

Hörst du das Rauschen des Flusses?

Wenn ja – das ist der Weg.

Hsüan-Scha

 

SEPTEMBER

Das Firmament kreist,

und die Stunden zeigen beständigen Wandel.

Aus Marokko

 

OKTOBER

In Heraclitus' Fluß

ist ein Fisch am Fischen.

Ein Fisch schnappt einen Fisch mit einem scharfen Fisch,

ein Fisch baut einen Fisch, ein Fisch lebt in einem Fisch,

ein Fisch flüchtet vor einem belagerten Fisch.

 

In Heraclitus' Fluß

liebt ein Fisch einen anderen;

deine Augen, sagt er, glänzen wie die Fische im Himmel.

Ich würde Dir zur Seite schwimmen zum See,

den wir gemeinsam teilen, oh Gerechter des Schwarmes.

 

In Heraclitus' Fluß

stellt sich ein Fisch den Fisch der Fische vor,

ein Fisch kniet vor den Fischen,

ein Fisch singt zu den Fischen,

ein Fisch bettelt einen Fisch an, sein fischiges Los zu lindern.

 

In Heraclitus' Fluß

Schreibe ich, der einsame Fisch, der Außenseiter,

(zumindest von den Baumfischen und den Steinfischen)

in einsamen Momenten, einen oder zwei kleine Fische,

deren glitzerndeSchuppen, so vergänglich,

nur das verwirrte Zwinkern in der Dunkelheit sein könnten.

Wislawa Szymborska

 

NOVEMBER

Man steigt nicht zweimal in denselben Fluß.

Heraklit

 

DEZEMBER

Herakleitos sagt, daß man weder zweimal den selben Fluß

durchsteigt noch zweimal den selben Menschen sieht.

Das Wesen strömt offenbar zu jeder Zeit.

 

Mehr Informationen zum Kalender: siehe

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